Hofübergabe und Nachfolgeregelung

Hofübergabe

Über Hofübergabe reden, heisst erstmal feststellen: Der wirtschaftliche Druck auf die landwirtschaftlichen Betriebe ist gross. Auch bei jenen Betrieben, die gut aufgestellt sind und nicht direkt ums Überleben kämpfen. Dass die angespannte ökonomische Situation auf vielen Betrieben zu Stress führt und entsprechendes Konfliktpotenzial in sich birgt, versteht sich.

Mediation bei der Hofübergabe ist eine Kombination aus der Familien- und Wirtschaftsmediation.

Der Familienbetrieb

Der Grossteil der landwirtschaftlichen Betriebe in der Schweiz sind Familienbetriebe. Von der Rechtsform her sind gut 91 Prozent der Schweizer Bauernhöfe einer natürlichen Person zugeordnet[4], gut 7 Prozent gelten als einfache Gesellschaft. Von diesen beiden Rechtsformen herleitend kann man 99 Prozent der Bauernhöfe in der Schweiz als Familienbetriebe bezeichnen.

Die Uno-Welternährungsorganisation FAO hat Kriterien zur Definition des landwirtschaftlichen Familienbetriebs zusammengetragen. Sie lauten wie folgt:

Was ist ein Familienbetrieb?

  • Familienangehörige verrichten den grössten Teil der Arbeit auf dem Betrieb.
  • Die Familie trifft die strategischen Entscheidungen.
  • Die Familie besitzt oder pachtet das Land und die Infrastrukturen.
  • Das Kapital stammt mehrheitlich aus Eigenmitteln.
  • Die Familie führt den Betrieb auf eigenes Risiko.
  • Die Landwirtschaft ist die Haupteinkommensquelle der Familie.
  • Das Familienleben und die Tätigkeiten auf dem Betrieb sind eng miteinander verflochten.
  • Der Betrieb wird von Generation zu Generation weitergegeben.

Man sieht daraus, wie eng Familie und Betrieb auf dem Hof miteinander verknüpft sind. Eine klare Trennung von Betriebsorganisation und Familiensystem gibt es kaum. Das verdeutlicht auch die Tatsache, dass 77 Prozent aller Lernenden auf Bauernhöfen in der Schweiz auf ihrem Lehrbetrieb aufgewachsen sind. Der Vater ist ihnen also zugleich auch der Lehrmeister[6].

Konfliktbereiche

Die von Franziska Feller ins Leben gerufene Webseite hofkonflikt.ch listet unter „Konfliktbereiche“ folgende Aufzählung auf[7]:

  • Familienkonflikte auf Bauernhöfen, in “Familienhäusern” oder anderswo
  • Streitigkeiten zwischen den Generationen
  • Fragen rund ums „Stöckli“,
  • schwierige Situationen in der Fürsorge von betreuungsbedürftigen Personen,
  • Konflikte innerhalb des Familien-/Kleinbetriebes
  • Streit bei Nachfolgeregelungen und Hofübergaben
  • Konflikte mit oder in Alpgenossenschaften
  • Nachbarschaftsprobleme

Streit erwächst laut Feller auch aus dem Umstand, dass die Generationen eng zusammenleben. Dazu kommt: Nicht selten wird auf Boden Landwirtschaft betrieben, der gar nicht mehr zur Landwirtschaftszone gehört. Auf potenziellem Bauland also, das gegenüber dem Nutzwert nun surreal viel Geld wert ist. Auch dies kann im Erbfall und bei Hofübergaben zu Verwerfungen führen[8].

Lesen Sie dazu auch ein Portrait über Hofkonflikte aus der Berner Zeitung.

Hofübergabe

Die Buchautoren Sandra Thaler[15] und Matthias Tann[1] haben ihren Büchern zur Mediation auf dem Bauernhof den Haupttitel „Hofübergabe“ gegeben. Sandra Thaler schreibt: „Mit der Hofübergabe ändert sich nicht nur das ganze Familiengefüge, sondern sowohl die Arbeit als vielfach auch die Wohnsituation für die verschiedenen Generationen.“ Laut Thaler zeigt die Praxis, dass bei der Hofübergabe verschiedene Faktoren Konflikte auslösen könnten. Sie nennt: Der Zeitpunkt, die Wahl des Nachfolger, die Fairness gegenüber den weichenden Erben, unterschiedliche Sichtweisen auf den Betrieb sowie unzureichende Formulierungen und fehlende Verträge.

Tann fasst zusammen: „Die Hofübergabe ist ein sehr komplexer Prozess: Daran sind Menschen beteiligt, die Gefühle haben, es geht der einen Seit um ein Lebenswerk und ein Loslassen-Können. Auf der andern Seite darum, bei aller Wertschätzung dem Bestehenden und Geschaffenen gegenüber, den Betrieb zukunftstauglich weiterzuentwickeln und gegebenenfalls auch umzuformen. Darüber hinaus menschelt es noch auf zahlreichen Nebenschauplätzen: Ob das nun die Integration eines neuen Lebenspartners ist, die Absprache unter Geschwistern usw. „

Spezialfall Hofaufgabe

Franziska Feller erwähnt nebst der Hofübergabe auch die Hofaufgabe als möglichen Konfliktherd. Denn einen Hof aufzugeben, weil die Eltern nicht mehr mögen und die jungen in andern Branchen verankert sind, das könne das Familiengefüge zerstören. „Oft ist so ein Hof über Jahrhunderte von der Familie bewirtschaftet worden. Kein Wunder, fragen sich die Betroffenen, warum das Scheitern ausgerechnet in ihrer Generation eintrifft“, sagt Feller. 

Die Konfliktparteien in ihren Rollen

Bei einer Hofübergabe können folgende Rollen einzeln angeschaut werden;

  1. Der Übergeber
  2. Der Übernehmer
  3. Die weichenden Erben
  4. Der Partner des Hofübernehmers

Der Übergeber – Loslassen und Platz machen

Für den Übergeber stellt der Schritt zurück ins zweite Glied eine grosse Herausforderung dar. Er räumt meist ja nicht nur das Feld im Betrieb, sondern auch im Haus, indem er sich zurück ins Stöckli zieht. Sein Lebenswerk steht zu Disposition. Auch seine finanzielle Situation ändert sich.

Der Übernehmer – viel Arbeit, hohe Erwartung

Der Übernehmer muss bei einem wirtschaftlich gut aufgestellten Hof mit einem enormen Erfolgsdruck umgehen muss. Er muss sich von der Übergeber-Generation emanzipieren und braucht das Einverständnis der weichenden Erben. „Hofnachfolger stehen häufig zwischen ihrem Partner, den Eltern und den weichenden Geschwistern“, schreibt Thaler. Der Vater wird Angestellter, der Sohn wird dessen Chef.

Hofübergabe Konflikt Mediation

Der Hofübernehmer steht auch oft in einem Loyalitätskonflikt zwischen Herkunftsfamilie und eigener Familie, beziehungsweise Partnerin.

Die weichenden Erben

Thaler schreibt, dass die weichenden Erben zunächst mal ihr Elternhaus verlieren. Dafür sei eine gerechte Abfindung auszuhandeln: „Wenn sie auf ihr Erbe oder Teile davon verzichten, wünschen sie sich eine gerecht empfundene Gegenleistung und eine dementsprechende Wertschätzung.“ Dies früh zu verhandeln ist wichtig. Sonst tauchen nicht selten Erbstreitigkeiten auf.

Bei den weichenden Erben geht es oft um Wertschätzung und Geld. Streit- oder Knackpunkt ist die Bewertung des Hofs und die Höhe der Abfindung.

Nebst einer klaren Faktenlage und einer für alle transparenten Hofbewertung, die am besten von einem landwirtschaftlichen Berater erstellt wird, kann der Mediator in solchen Verhandlungen einen grossen Beitrag leisten.

Partnerin des Hofübernehmers – die Neue

Die Schwiegertochter muss sich am Hof oft erst einmal beweisen und sich Anerkennung verdienen. Gleichzeitig will sie in die neue Familie integriert werden und als gleichwertige Partnerin angesehen werden.

Schwiegermutter Schwiegertochter konflikt streit

Franziska Feller stellt fest, dass sich vor allem die Rolle der Frau in nur einer Generation massiv entwickelt hat. „Früher war die Frau auf den Hof angewiesen,“ sagt Franziska Feller, „heute bringt sie sich notfalls auch alleine durch.“

Oft entbrennt dadurch ein Konflikt zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter. Verhärtet dieser, kann der Hofübernehmer plötzlich im Zentrum des Zerwürfnisses zwischen Mutter und Gattin stehen – innerlich so aufgerieben, dass er sich zwischen Hof oder Ehe zu entscheiden genötigt fühlt.

Spezifisch für den Bauernhof ist die hohe Arbeitsintensität. Und mit eigenen Kindern muss sich die junge Familie gegenüber der Elterngeneration auch abgrenzen, sowohl räumlich wie in Erziehungsfragen. Dies könne ebenso zu Konflikten führen, wie neue Betriebsideen Dieses Geflecht sichtbar zu machen und die jeweiligen Zuständigkeiten zu erarbeiten ist für die Konfliktbeteiligten eine schwierige Aufgabe, bei der ein Mediator von grosser Hilfe sein kann.

Quellen
Aufgrund der eher dünnen Literaturlage zum Thema – es gibt gerade mal zwei Bücher – stützt sich dieser Aufsatz im Wesentlichen auf drei Quellen:
[15]Thaler, Sandra: Erfolgreiche Hofübergabe, Erfahrungen aus der Mediationspraxis in der Landwirtschaft, Verlag Thaler Mediation, Hörsching, 2014
Tann, Matthias: Hofübergabe, Familienkonflikte systematisch lösen, DLG Verlag, Frankfurt am Main, 2014
Gespräch mit Franziska Feller, Gründerin des Mediationsnetzwerks Hofkonflikt.ch, Bern im Juni 2016
Fussnoten
[1] Tann, Matthias, Hofübergabe, Familienkonflikte systematisch lösen, DLG Verlag, Frankfurt am Main, 2014  [2] Swiss Agricultural Outlook 2014-2024 : Pilotprojekt zur Erarbeitung eines Referenzszenarios für den Schweizer Agrarsektor. Agroscope Science. 23, 2015, 1-94 [3] Vergleiche Sendung „10vor10“ vom 17.6.2016  [4] Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) 2013 [5] Olivier De Schutter, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung in: Schweizerischer Bauernverband: Situationsbericht 2013 [6] Organisation der Arbeitswelt AgriAliForm Bildung 2013 [7] http://www.hofkonflikt.ch/wp/konfliktbereiche/
[8] Balz Rigendinger in: Berner Zeitung vom 17.6.2015 [9] Fisher, R.; Ury, W.; Patton, B.: „Das Harvard-Konzept. Sachgerecht verhandeln – erfolgreich verhandeln“. Eine gute Zusammenfassung des Klassikers findet sich hier.  [10] So etwa: Marshall B. Rosenberg (2004): Gewaltfreie Kommunikation, Verlag Junfermann [11] www.schulz-von-thun.de [12] Glasl. F. (199) Konfliktmanagement. Stuttgart: Freies Geistes leben, Kapitel 3: Typologie von Konflikten [13] Berne, Eric: Spiele der Erwachsenen. Psychologie der menschlichen Beziehungen; Hamburg 1970, p. 28 ff